Geschichte der SP Wädenswil in Farben und Formen

Die SP Wädenswil wurde 1888 gegründet.

Grün

«Du bist mit dem Auto da? Sofort zurück zum Parkplatz auf Feld 13», weist das Neujahrs-SPiel 86 die Spielerinnen und Spieler an, die es erwischt hat. Sie haben nach vielen Mühen endlich die Hälfte des Weges zurückgelegt und sind auf Feld 14 «Schönegg» angekommen. Das SPiel ist eine Art Leiterlispiel, das die SP Wädenswil zum Wahljahr 1986 herausgegeben hat. Es ruft auf witzige Weise die politischen Erfolge der SP in Erinnerung. Misserfolge sind keine zu entdecken. Wer zurück muss, ist auf die bürgerliche Linie geraten. Beim Restaurant Schönegg sind keine Parkplätze, weil hier ländliche Ruhe und nicht städtischer Verkehr herrschen soll. Der Parkplatz liegt etwas entfernt an der Hauptstrasse.

 

Die SP Wädenswil ist in den 1980er-Jahren grün. Weitere Stationen im Leiterlispiel sind zum Beispiel der Stoffel («Dank jahrelangem Einsatz der SP ist auch dieses Erholungsgebiet – ebenso wie weitere Erholungsgebiete – grün geblieben. Du machst einen Spaziergang dort und landest auf Feld 17») oder die Steinweid («Du hast zusammen mit der SP geholfen, das idyllische Aabachtäli vor einer Deponie zu bewahren. Deine nächste Würfelzahl zählt doppelt»). Nach den Wahlen 1986 hatte die SP zwei von neun Stadträten, nach 1990 noch einen und schliesslich 2000 nach der Ersatzwahl für den zurückgetretenen SP-Stadtrat gar keinen mehr. Und dies bei einem Stimmenanteil von etwa einem Drittel. Bei der FDP löste dies aber gar keine selbstkritischen Gedanken in Sachen Proporz aus, wie ein Leserinnenbrief der FDP-Präsidentin zeigt: «Die SP Wädenswil wundert sich, warum die FDP sich einen Stadtrat ohne SP-Beteiligung vorstellen kann. Der Grund ist ganz einfach und auch nicht neu. Die FDP Wädenswil setzt sich als bürgerliche Kraft von jeher für eine bürgerliche Politik und somit eine bürgerliche Regierung ein. Die FDP Wädenswil, welche die grösste Fraktion im Gemeinderat stellt, sieht keinen Grund, die SP in die Verantwortung einbinden zu müssen. Man könnte etwas pointiert durchaus sagen, dass der Stadtrat in den vergangenen zwei Jahren trotz (nicht wegen) der SP-Beteiligung gute Arbeit leistete…»

 

Rot-Grün

Ohne SP wurde die Wädenswiler Exekutive eintönig. Das wollte die SP 2002 zusammen mit den Grünen wieder ändern. Die Enttäuschung war gross, dass das gemeinsame «Viererticket» keinen Erfolg hatte. Nur einen einzigen Sitz wollten die Wädenswilerinnen und Wädenswiler der SP im neu nur noch siebenköpfigen Stadtrat (bisher neun) einräumen. Hingegen konnte die SP insgesamt leicht an Stimmen zulegen und freut sich, nun die zweitgrösste Fraktion im Gemeinderat zu stellen. Ihre Einflussmöglichkeiten sind aber sehr begrenzt, denn zum Behördereferendum reichen die Stimmen auch zusammen mit den Grünen nicht.

 

Die Themen der SP Wädenswil sind 2002 ähnlich wie 1986: Die Raumplanung bzw. die Gestaltung der öffentlichen Räume steht neben der Familienpolitik im Zentrum. «Mehr Jugendarbeit, sonst macht die Jugend mehr Arbeit» oder «Aus Scham über den Bahnhofplatz: Wädenswil wird rot» waren Slogans des Wahlkampfes. Diese Themen unterscheiden sich doch sehr von den Problemen, welche die Arbeiter vor hundert Jahren beschäftigten.

 

Rot

Zwischen 1836 und 1890 wuchs Wädenswils Bevölkerung von 4870 auf 6338 an und während der nächsten zwanzig Jahre nochmals um 43 Prozent auf 9067 EinwohnerInnen. Bauern verliessen die Landschaft und ihre kleinen Höfe, um in den Textil-, Chemie- und Metallwarenfabriken sowie in der Bierbrauerei in Wädenswil zu arbeiten. Sie wurden von Landarbeitern zu Fabrikarbeitern, die sich sowohl an eine neue Umgebung als auch an einen neuen Tagesablauf und Lebensrhythmus anpassen mussten. Auch Deutsche und Italiener kamen. Ein Arbeiterverein hatte hier eine wichtige Funktion.

 

Bei der Bildung eines neuen Gemeinschaftsgefühls konnte eine Reise besondere Bedeutung erhalten. Während dem Bürgertum das Reisen selbstverständlich war, war es für die Arbeiterschicht aussergewöhnlich: Das älteste gegenwärtig auffindbare Protokoll des Wädenswiler Arbeitervereins beginnt mit einem Bericht über die Rigifahrt vom 24. Juli 1903. Für die grosse Reise nahmen sich die Wädenswiler Genossen ein ganzes Wochenende Zeit. Nach der Arbeit fuhren sie am Samstagabend (einen freien Samstag kannte man noch nicht) los und waren bis am Sonntagabend mehrheitlich zu Fuss unterwegs. In Goldau erfrischten sich die 11 Genossen mit einem «Wädenswiler Bier» und marschierten los. Um 5 Uhr morgens warteten sie auf den «Sonnenaufgang, welcher auch schon hinter einem Berge hervorbrach». Danach wanderten sie zum Vierwaldstättersee hinunter, kamen nach Brunnen. Von dort per Zug «mit voller Befriedigung und dem Wunsche, der Arbeiterverein möchte ein anderes Jahr wieder einen solchen Ausflug veranstalten», nach Wädenswil zurück. Im Herbst des gleichen Jahres wanderten die Vereine aus Zug, Horgen und Wädenswil zu einer Veranstaltung in der «Krone» nach Sihlbrugg. An dieser Zusammenkunft beschlossen sie: «Pflegung des geselligen Leben und Einführung öffentlicher Diskussionsstunden. (…) Im weiteren wird der Wunsch ausgesprochen, der gegenseitige Besuch solle mehr gepflegt werden.»

 

Rein-Rot

Die Genossen hatten auch Kontakte über die Schweizer Grenze hinaus. Am 3. Oktober 1903 berichtet Genosse Öttinger über den Parteitag in Dresden, «es habe sich herausgestellt, dass die Revisionisten nur ein kleines Häuflein seien, Führer ohne Armeen. Der einzige, der sich in derselben zum Revisionismus bekannt habe sei Bernstein, die anderen alle beteuerten dass sie nicht daran denken eine andere Richtung als die Partei einzuschlagen…» Und Genosse Jäggi meint, dass wie in Deutschland «auch in der Schweiz eine Reinigung der Partei nöhtig sei, er führt den Fall Zuppinger an welcher der Partei untreu wurde».

 

Rot

Die Parteizugehörigkeit hatte aber auch eine materielle Bedeutung für die damaligen Genossinnen und Genossen. Die wohl wichtigste Einrichtung ist die Krankenkasse. In den Monatsversammlungen wird neben dem Monatsbeitrag auch der Beitrag für die Krankenkasse eingesammelt. Dass der Verein am Ende nur noch diese Bedeutung habe, wird aber auch beklagt: «Es scheint, als ob der Verein nur noch Monatsversammlungen abhalte um seine Beiträge einzuziehen.» Früher habe sich der Verein unter der Woche im Lokal eingefunden, überhaupt das gesellige Leben viel mehr gepflegt. Der Arbeiterverein wurde ursprünglich deutscher Verein genannt, bestand bereits vor 1903 und war ein Vergnügungsverein, der «sich erst später zur Sozialdemokratischen Partei erkannte u. sich mit dessen Prinzipen beschäftigte», wie der Protokollführer anmerkte. 1916 wird der Name in Sozialdemokratische Mitgliedschaft Wädenswil abgeändert, nachdem man drei Jahre zuvor die Fusion mit dem Grütliverein abgelehnt hatte.

 

Leider fehlen die Protokollbücher für die Zeit des Generalstreiks, an dem sich die Wädenswiler Arbeiterbewegung stark beteiligte. 1925 wird der Verfassungsartikel über die Alters- und Invalidenversicherung angenommen. Damit soll das Almosenwesen durch gesetzliche Rechteabgelöst werden. Das Fürsorgewesen konnte die Probleme nicht wirklich lösen, und man ärgert sich auch darüber, wie das Geld verteilt wurde. Speziell für die Bekämpfung der Tuberkulose würden all die freiwilligen Spenden nicht ausreichen, und es sei zu bedauern, dass man dem Antrag des Schweizerischen Parteitages, den Beitrag gegen diese ärgste Proletarierkrankheit von 1 auf 5 Millionen Franken zu erhöhen, kein Gehör geschenkt habe. Die Arbeiterschaft war überzeugt; dass sie einen bürgerrechtlich begründeten Anspruch auf soziale Sicherheit hatte, und sie wollte ihn auch durchsetzen.

 

Lila-Rot

Geradezu weltberühmt wird Wädenswil, als Julia Gerber Rüegg aus der SP-Fraktion den Gemeinderat handstreichartig davon überzeugen kann, dass die Gemeindeordnung 1993 in der weiblichen Form abzufassen sei. Die vorgesehene Präambel, wonach die Frauen in der männlichen Form mit gemeint seien, könne man geradeso gut umgekehrt formulieren. Dass die Männer in der weiblichen Form mit gemeint seien, sei schon rein optisch der Fall, wie das Wortbeispiel Einwohnerinnen zeige. Logisch! Die Mehrheit der Räte versteht das. Dennoch entsteht in der Folge heftiger Widerstand von bürgerlicher Seite. Am Ende scheitert die neue Gemeindeordnung an dieser Formsache vor dem Volk. Die Änderung der Form ändert die Inhalte mit und umgekehrt: Das zeigte dieser Streit deutlich.

 

Die SP Wädenswil hat ihre eigene Zeitung „so!“, gegründet 1975.

 

Die SP Wädenswil ist Mitglied der Volkshausgenossenschaft Wädenswil und des „Forum für Bildung, Kultur und Begegnung Wädenswil“, der Nachfolgeorganisation des Arbeiterbildungsausschuss, der ehemaligen gemeinsamen Bildungsorganisation der SP und der Gewerkschaften in Wädenswil.

 

René Peter